Katharina Winter: Fotografie

Capacitas Minuuta – Capacitas Amplificans (2009)

Mein Interesse an der mittlerweile veralteten Bildaufnahme und –entwicklung der analogen Fotografie sowie mein Interesse an Perspektive und architektonisch außergewöhnlichen Bauwerken, führten zu den beiden Arbeiten „Capacitas Minuuta“ und „Capacitas Amplificans“.

Die einzelnen Fotografien der beiden Arbeiten wurden mittels einer analogen Voigtländer Spiegelreflexkamera aufgenommen und in der Dunkelkammer entwickelt.

Jeder Arbeit liegt ein einzelnes Motiv zugrunde: In „Capacitas Minuuta“ zeigt sich die Stadtbrücke in Wolfsburg, die die Innenstadt mit der Autostadt verbindet. Der Gehry-Tower am Steintor in Hannover ist als Motiv in „Capacitas Amplificans“ gewählt worden.

In beiden Einzelmotiven spielt die Perspektive eine große Rolle, die über die Schwarz-Weiß-Kontraste verstärkt wird. Mittels der auf einen Fluchtpunkt zulaufenden Perspektive in „Capacitas Minuuta“, welches das Ende des Rollbandes darstellt, entsteht eine beinah dreidimensional wirkende Räumlichkeit. Durch die angrenzenden Fotografien, die jeweils die Spiegelung des anderen darstellen, verliert sich die Räumlichkeit jedoch wieder. Aus diesem Grund wurde diese fotografische Arbeit mit der lateinischen Übersetzung von „reduzierte Räumlichkeit“ (lateinisch: capacitas (Räumlichkeit), minuuta (reduziert)) betitelt, da es den Anschein hat, dass sich die Dreidimensionalität im Einzelmotiv zur Zweidimensionalität im Gesamtbild reduziert.

Im umgekehrten Sinne passiert der Dimensionswechsel in „Capacitas Amplificans“. Im Gesamtbild, das sich aus 16 Einzelfotografien zusammensetzt, scheint sich die Räumlichkeit zu erweitern (lateinisch: capacitas (Räumlichkeit), amplificans (Erweiterung)). Im Einzelmotiv endet der Blick diesmal nicht in einem Fluchtpunkt sondern im Offenen des Himmels. Der dunkle Fleck in einer Ecke des Motivs erweitert sich durch die angrenzenden Spiegelungen. Dieser und die daran angrenzenden Fassaden des Gehry-Towers, welche in der Helligkeit zunehmen, verleihen der Zusammenführung der vier aneinander angrenzenden Fotografien dreidimensionale Züge. Es kommt zu einer kaleidoskopartigen Wirkung durch die viermalige Wiederholung der durch den dunklen Fleck verbundenen Bilder.

In „Capacitas Minuuta“ dominieren die Streben der Brücke und das Rollband des Skywalks, welche eine Verbindung zu den angrenzenden gespiegelten Bildern schafft, wodurch ornamenthafte Strukturen deutlich werden. Im Gesamtbild scheint es kein Ende zu geben, so dass über die Grenzen des Bildes hinaus weitere Strukturen imaginiert werden können. Die Spiegelung der Motive der beiden Arbeiten wurde über die Wendung des Negativs im Vergrößerer erzeugt, anschließend exakt zurechtgeschnitten und mittels Sprühkleber auf Kapa-Platten nebeneinander geklebt. Dieser manuelle und analoge Prozess der Entstehung sowie die perspektivischen Wirkungsweisen stellen die formalen als auch zugleich die inhaltlichen Aspekte dieser Arbeit dar.

Capacitas Minuuta (oben rechts) und Capacitas Amplificans (unten links)